Suche
Close this search box.

Die eidgenössischen Abstimmungsvorlagen vom 19. Mai 2019

«Fortschritt besteht nicht in der Verbesserung dessen, was war, sondern in der Ausrichtung auf das, was sein wird.»
Khalil Gibran

 

1 – Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF)

 

Was die Vorlage will:

Das vorgelegte Bundesgesetz verknüpft die Bereiche Unternehmensbesteuerung und AHV-Finanzierung. Es legt einerseits fest, dass Steuerprivilegien für «überwiegend international tätige Unternehmen» abgeschafft und alle Unternehmen gleich besteuert werden.

Nicht Teil des Bundesgesetzes, aber bereits geplant ist, dass der Bund den Kantonen mehr von seinen Steuereinnahmen überlässt, damit sie ihre Steuern für sämtliche Unternehmen senken können. Das Bundesgesetz legt auch fest, dass innovative Unternehmen steuerliche Erleichterungen erhalten sowie Dividenden für Aktionär/innen höher besteuert werden sollen.

Zudem soll die AHV pro Jahr rund 2 Milliarden Franken zusätzlich erhalten – 800 Millionen Franken vom Bund und 1.2 Milliarden Franken durch eine Erhöhung der Beiträge von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden um je 0.15%.

Das integrale Zukunftsbild:

In einer integralen Gesellschaft ist der Beitrag von Unternehmen an die Gesellschaft und an das Gemeinwohl nicht nur finanzieller Natur. Wirtschaft und Gesellschaft arbeiten in einer neuen Grundhaltung zusammen – in einer Haltung von Verantwortung dem Ganzen gegenüber, von Kooperation und Verbundenheit. Zudem gestaltet eine integrale Gesellschaft ihre staatliche Altersvorsorge als Teil eines menschenwürdigen Grundeinkommens, das gerecht und sozial finanziert ist.

Abstimmungsempfehlung: NEIN

Unsere Überlegungen dazu:

  1. Die grundsätzlich gleiche Besteuerung von allen Unternehmen geht zwar in die Richtung einer integralen Gesellschaft, aber:
  2. Die Angleichung der Besteuerung geschieht nur auf Bundesebene. Kantone und Gemeinden können die Steuern für die Unternehmen senken und sind vom Bund sogar dazu «angehalten».
  3. Die Konsequenzen der Vorlage sind intransparent und weitgehend ungeklärt.
  4. Die Verknüpfung von zwei verschiedenen, voneinander unabhängigen Themen in einem Bundesgesetz entspricht nicht unseren demokratischen Grundsätzen und ist irreführend.
  5. Die Vorlage kann den Schein erwecken, als würde die Finanzierung der AHV von der Steuerreform abhängen.
  6. Die Vorlage löst das Grundsatzproblem der nachhaltigen Finanzierung der AHV nicht.

 

2 – Umsetzung einer Änderung der EU-Waffenrichtlinie (Weiterentwicklung von Schengen)  

 

Was die Vorlage will:

Da die Schweiz Mitglied im Verbund der Schengen- und Dublin-Staaten ist, sieht die Vorlage vor, das schweizerische Waffengesetz an die EU-Waffenrichtlinie anzupassen. Neu sollen alle wesentlichen Bestandteile einer Waffe markiert werden. Die Händler müssen alle Käufe und Verkäufe von Waffen und Bestandteilen dem kantonalen Waffenbüro melden. Anstelle des derzeit verlangten Waffenerwerbsscheins können halbautomatisch Waffen mit grossen Patronenmagazinen künftig nur noch mit Ausnahmebewilligung gekauft werden. Besitzer von solchen Waffen wie auch Museen müssen darlegen, wie sie die sichere Aufbewahrung garantieren und ein Verzeichnis führen beziehungsweise ihre Waffe registrieren lassen. Zudem müssen Schütz/innen, die eine solche Waffe haben oder erwerben, nach fünf und nach zehn Jahren nachweisen, dass sie Mitglied eines Schützenvereins sind oder regelmässig schiessen. Der Erwerb eines Sturmgewehrs nach dem Militärdienst ist weiterhin und ohne neue Auflagen möglich. Für Jäger/innen ändert sich nichts.

Das integrale Zukunftsbild:

In einer integralen Gesellschaft braucht es keine Waffen. Die Menschen leben mit einer Haltung von Vertrauen und Kooperation. Die wenigen Konflikte lösen sie eigenverantwortlich durch Kommunikation, Achtsamkeit und gegenseitigen Respekt.  

Abstimmungsempfehlung: JA

Unsere Überlegungen dazu:

  1. Die Verschärfung und damit leichte Einschränkung des Waffenbesitzes geht in Richtung des integralen Zukunftsbildes.
  2. Das Anliegen, Waffenbesitz nicht einzuschränken, ist von rückwärtsgerichtetem Misstrauen und von Angst geschürt.
  3. Mit der Annahme der Vorlage wahrt die Schweiz ihre Verantwortung gegenüber ihren Kooperations- und Vertragspartnern.

Erklärung zum Vorgehen und zum Ziel des Politischen Kommentars

Der politische Kommentar der IP Schweiz ist das Ergebnis eines Prozesses, mit dessen Hilfe integrale Positionen zu eidgenössischen Abstimmungsvorlagen gefunden werden. Dabei wird ermittelt, ob eine Vorlage einen Schritt in die Richtung einer Vision einer integralen Gesellschaft bedeutet, d.h. einen Beitrag zur Transformation der Gesellschaft leistet, oder ob das Anliegen nur eine sich im Kreis drehende Variante des Bestehenden ist. Die Vorlagen werden vom Politischen Ausschuss der IP Schweiz beurteilt. Die Verantwortlichen für diese Ausgabe sind: Pia Bossi, Monique Centeno, Jakob Elmer, Urs Haller, Remy Holenstein, Margreth Schmutz, Yvonne Schwienbacher und Gary Zemp.

Das Ergebnis dieses Ermittelns findet Ausdruck in einer integralen Abstimmungsempfehlung, die dann ihre gewünschte Wirkung erzielt, wenn die Leserinnen und Leser sich animiert fühlen, mit ähnlichen, visionsorientierten Überlegungen zu ihrem je eigenen Ergebnis zu kommen. Das Ziel einer integralen Position ist es nicht, Recht zu haben, sondern die Menschen zu mehr Bewusstheit zu führen.

11 Antworten

  1. “Wirtschaft und Gesellschaft arbeiten in einer neuen Grundhaltung zusammen – in einer Haltung von Verantwortung dem Ganzen gegenüber, von Kooperation und Verbundenheit”
    Dünkt mich leicht euphorisch und utopisch. Und das in der wirtschaftsfreundlichen Schweiz auf freiwilliger Basis und ohne Konsequenzen beim Sich Futtieren. Wir nicht, die anderen auch. Bedenken Sie den Wirtschaftsstandort Schweiz, wenn neu Verantwortung dem Ganzen getragen werden dürfte oder könnte, sollte…
    Stimmt, Ihre Gesellschaft braucht keine Waffen aber wenigstens ein Bankgeheimnis für die echten Schweizer, ob da integral denkende auch dazugehören, sei mal dahingestellt.
    Viel Spass bei der Einführung Ihres neuen integralen Schweiz
    Lieber Gruss aus Rwanda, wo wir Ihrer Gesellschaft und Wirtschaft vermutlich weit voraus sind, zumindest in Byimana.

  2. Liebe Verantwortliche für den Politischen Kommentar,
    ein Kränzchen zu winden ist eigentlich zuwenig, vielmehr möchte ich euch ein herzliches „DANKE“ sagen für die Zeit die ihr gebt, für das Engagement für eine integrale Gesellschaft, für eure Meinungen, die hinter den Politischen Kommentaren stehen. Sie sind mir sehr wertvoll. Deshalb schicke ich sie auch gerne an etliche Freunde, Bekannte und Interessierte weiter.
    Befruchtend und ermutigend, mit Menschen wie euch unterwegs zu sein.
    Herzliche Grüsse
    Katharina Vogel

  3. Soweit sogut, ich bin mit Vielem einverstanden.
    Eines jedoch missfällt mir sehr: Es ist nicht der Kommentar an sich, es ist die Abstimmungs-empfehlung.
    Begründung: Sie doktriniert eine Meinung. Der politische Ausschuss übt Kontrolle, verzichtet also auf das Vertrauen in die Eigenverantwortung der Leser, die nach der Lektüre des Kommentars, sich selber eine Meinung bilden könnten. Sie stellt eine Bevormundung dar. Gut gemeint zwar, aber leider beheimatet in der, uns so gewohnten, gesellschaftlichen, hierarchischen, herrschaftlichen Struktur. Sie verleitet zum Meinungskonsum und zu politischer Bequemlichkeit. Ich denke, dass eine Parole, auch wenn man sie Empfehlung tauft, der von uns gewünschten integralen Entwicklung nich dienlich ist.
    Meine Empfehlung lautet: Verzichtet auf dieses überflüssige Beiwerk; einfach weglassen und geduldig beobachten was passiert. Ziemlich sicher wird nachträgliche Aufklärungsarbeit nötig sein. Diese jedoch, so glaube ich jedenfalls, könnte ein kreativer Beitrag im Bezug auf integrale Entwicklung sein.

    1. es ist eben grad sehr bereichernd, in die jeweiligen „überlegungen rein zu hören“, um sich ein gesamtbild zu machen. die vorlagen sind komplex. auf der basis kann dann jedeR immer noch selbst entscheiden.
      auch für den austausch mit anderen hilfreich. einfach nur: DANKE für die inputs 🙂

      1. Sehr richtig, gegen den Kommentar ist nichts einzuwenden und kann für viele hilfreich sein. Aber die Empfehlung ist vollkommen überflüssig, denn sie entspringt nicht einer bewussten integralen Haltung derjenigen die sie glauben abgeben zu müssen. Es ist eine Altlast aus unserer patriarchalen Pägung. Sehr präzise dargestellt im Film „Das weisse Band“ zum Beispiel. Es ist wichtig solche Muster zu erkennen wenn wir eine itegrale Zukunft gestalten wollen.

  4. als integral denkender lasse ich mich sehr gern meine bereits gefasste abstimmungsantwort bestätigen oder in frage stellen durch eure „empfehlung“, die alle erwägungen auf den punkt bringt. vielen dank!

  5. Ich bin ihnen sehr dankbar für den politischen Kommentar sowie für die Abstimmungsempfehlung. Da ich eigentlich mit der ganzen Politik und ihren Hintergründen überfordert bin, gerne aber meine Anliegen als im Grunde integral denkender Mensch einbringen möchte, ist es für mich eine verständliche Ausformulierung welche mich stärkt und in keinem Falle eine Manipulation. Denken kann ich nämlich selber.
    Ich bedanke mich also herzlich!!

    Annemarie Frey

  6. Ich bedanke mich mit Verstand und Herz für Eure Argumente – stets vor dem Hintergrund, Ziel und Vision einer integralen Gesellschaft. Utopisch vielleicht – euphorisch jedenfalls nicht.
    Ich stosse mich nicht an der Abstimmungsempfehlung. Auch eine integrale Partei muss sich zu einer eigenen Position zu jeder Abstimmungsvorlage durchringen und soll diese auch kommunizieren. Sollte die IP Schweiz einmal intern trotz intensiver Diskussionen sehr gespalten bleiben, so kann sie dies – wie alle anderen Parteien auch – im Sinne einer „Stimmfreigabe“ genau so kommunizieren.

  7. Wie schon erwähnt, es braucht dringend Aufklärungsarbeit. Stimmfreigabe zementiert die bestehende Herrschafts-Struktur erst recht, das Patriarchat feiert so nur seine Bestätigung. Meine Stimme ist frei, keine Person und kein Ausschuss hat die Kompetenz sie mir frei zu geben.
    Auch eine integrale Partei wird es nie geben, denn es geht um integrieren und nicht um Parteien
    bilden, es geht um Sachpolitik und nicht um Parteipolitik.
    Erweitert der Mensch seine Bewusstheit dann verändert sich die Parteienlandschaft und damit die Politik von selbst.

  8. stimmt, Empfehlungen sind immer eine subjektive Meinung, die einem anderen Subjekt übergestülpt werden. Also ein Übergriff von einem Ego auf das andere. Ich finde, wir sollten uns alle damit zufrieden geben, dass keine zwei Meinungen gleich sein können (und dürfen) und niemand die Wahrheit kennt. So verstehe ich auch das „Integrale“, das ich euren Positionstexten entnehme.
    Weiter so!

Gefällt dir dieser ARtikel?

Teile ihn auf facebook
Teile ihn auf Twitter
Teile ihn per E-Mail

Weitere News